Ein lange gehegter Traum geht in Erfüllung…Sonne, Wind, das Meer und traumhaftes Wetter…auf einem Segelboot: die wunderbare „Aquarius“. Das Rauschen des Meeres aus einer komplett anderen Perspektive, ich schaue vom Wasser an den Strand, statt vom Strand auf das Meer zu blicken.
Perspektivenweschel…und alles sieht gleich ganz anders aus. Es ist das gleiche Wasser, der selbe Ort, die selben Bedigungen und doch ist alles anders. Einfach nur, weil die Perspektive anders ist. Hmmmm wie oft sagte ich mir das im Alltag, geh mal einen Schritt zur Seite oder denke fühle dich in die Situation deines Gegenübers…und auf einmal ist da Empathie, Verständnis, statt Wut oder Fragezeichen. Nur für andere? Nein, es gilt auch für mich selbst. Trete ein Stück zurück und ändere die Perspektive und auf einmal ist da ein Weg, der vorher verdeckt war…geht eine Tür auf, sieht man Details, versteht man ein „Warum“. Wir fahren und segeln nun seit 4 Tagen in Kroatien und genießen…eigentlich habe ich ein Buch dabei, meine Spanisch Bücher, wollte Texte für meine Homepage schreiben…wollte die Zeit „nutzen“. Doch ich kann nicht. Zumindest nicht so wie geplant. Ich nutze die Zeit, um zu schauen, aufzunehmen, wirken zu lassen.
Die Crew ist fantastisch. Wenn es eng wird lernt man sich am besten kennen. 6 erwachsene Menschen auf engstem Raum, ohne Landgang-Pausen. Und es klappt sensationell. Ich bin mal wieder zutiefst dankbar dieses Abenteuer mit den „richtigen“ Menschen erleben zu dürfen.
Wenn ich nicht am Steuer stehe oder wir Segelkommandos ausführen, dann sitze ich am Bug und beobachte das Meer, höre das Rauschen, denke über meine „Quelle“ nach…woher kommt mein Vertrauen in mich? Immer dann, wenn Menschen links und rechts mit „tu das nicht“ Schildern stehen …weiß ich einfach, dass ich es tun will…ich weiß es wird gut: den Job kündigen, alleine reisen, selbständig machen, die Hospiz-Ausbildung machen, die Erlebnispädagogik Ausbildung machen, nach Amerika reisen…ja ich habe meine innere Stimme eine Zeit lang überhört bzw. sie nicht vermisst und dann bäähhhmm kam sie zurück! Ich tendiere immer wieder dazu auf die Meinung anderer zu hören, doch wenn es darauf ankommt, bei großen Entscheidungen weiß ich, dass nur ich die Antworten habe.
Die Quelle meines Urvertrauens, die Quelle des Vertrauens, dass der Weg schon gut ist wie er ist. Auf dem Westweg habe ich zu mir zurück gefunden, gemerkt wie wichtig es für mich ist meinen Weg zu finden und zu gehen. Schon als Kind hatte ich diese Situationen immer wieder, sie waren immer mit der Natur verbunden, mit allein sein, mit Innehalten…immer draußen, mit wenig Ablenkung ist dieses Gefühl „ich kann das“ gekommen. Dazu ist kein materieller Reichtum notwendig, ein Lagefeuer, der Geruch von Wald, der Wind, der meine Haut streichelt, die wärmende Sonne…wenn die Menschen um mich herum turbulent werden weiß ich, dass ich mich nur auf mich verlassen muss.
Das scheint die Quelle zu sein: die Natur! Sonne, Berge, Strand, Meer…in welcher Form auch immer…ohne viel Schnick Schnack…es ist die Summe dieser Momente!
Nach einem Marsch durch die Nacht in die Wärme zu kommen oder einen Sonnenaufgang am Gipfel genießen, stundenlang den Wellen zuhören, den salzigen Geruch in der Nase und die Haut von der Sonne erwärmt spüren. Den Duft von Bäumen und Holz, wenn ich durch einen Wald laufe…in der Natur fühle ich mich nie alleine, habe nie Angst, vertraue meinen Fähigkeiten, komme in meine Kraft. Es gibt also eventuell gar nicht „DIE“ eine Quelle für mein Urvertrauen, sondern allgemein die Natur.
Mal kurz fühlen? hmmm…ist das „DIE“ Quelle? Hmmm…nicht ganz sicher.
Ja auch das Segelboot ist Luxus, doch wir bereiten alle Mahlzeiten selbst zu und leben auf engstem Raum zusammen. Ich genieße besonders die stillen Stunden in denen die Gedanken schweifen dürfen oder die Nächte alleine an Deck. Stimmt nicht ganz…ich genieße es auch sehr, wenn wir tagsüber gemeinsam übers Meer schippern, inzwischen weiß jeder, was zu tun ist, wir vertrauen uns gegenseitig und sind quasi eine Crew geworden. Jeder darf mal ans Steuer und es reichen sehr wenige Kommandos vom Skipper, um uns auf Position zu bringen…das gilt natürlich auch für Kommandos wie „Radler an Deck“ oder „Ankommer richten“ ?
Jeder hilft mit, mit dem was er/sie am besten kann oder was jeweils am meisten Spaß macht. Wer seine Ruhe braucht geht an den Bug…dort wird nicht viel gesprochen.
Faszinierend wie schnell eine Gruppe zusammen findet…norming-forming-storming-performing…
Wir haben keinen Kontakt zu anderen Menschen und leben 24/7 auf engstem Raum…und es klappt als WG auf Zeit…vielleicht weil alle Camper sind und entsprechen entspannt. Doch zurück zu Quelle…wo kommt diese innere Stimme her wenn es daran ankommt? Diese Vertrauen, wenn alle um mich in einer andere Richtung zeigen…?
Ahhhhhh da ist die Ur-Quelle für mein Vertrauen…JETZT schießt sie mir klar in den Kopf, eine Geschichte die ich schon oft erzählt habe: Jupiter Jim!
Ich bin alleine in den Staaten und habe so richtig Heimweh. 20 Jahre jung. An der verlassenen Marina sitze ich und starre auf das Meer hinaus. Denke an meinen Opa, dem es zu der Zeit gar nicht gut geht. Ich verstehe die Sprache nicht gut und traue mich kaum zu sprechen. Das erste mal in meinem Leben so richtig auf mich alleine gestellt. Da setzt sich schweigend ein älterer Mann neben mich. Nach einer Weile fragt er, ob ich traurig bin. Ich sage ja, ich habe Heimweh. Er schweigt. Dann fragt er, ob er mir etwas erzählen darf.
Er erzählt von sich, seinem Leben, dazwischen immer lange schweigende Pausen. Schließlich sagt er, er sei „Jupiter Jim“ und kennt hier Alles und jeden. Er hat sich immer gewünscht zu reisen, konnte es aber nie. Nun versucht er das Reisen seinen Kindern und Enkeln zu ermöglichen und wünscht sich sehr, dass sie, wo auch immer sie sind, jemanden finden, der auf sie aufpasst. Meine Alarmglocken klingeln. „Die Amis meinen es nicht so, wenn sie Hilfe anbieten“, „trau keinem Fremden“, „Amis sind oberflächlich“….puhhhh doch irgendwas lässt mich entspannt sitzen und zuhören.
Ich bleibe, und die Traurigkeit ist für eine Weile vergessen. Wir sitzen da und beobachten schweigend das Meer.
Als ich aufbreche gibt er mir seine Telefonnummer und sagt:
„If you need anything while you are here, please call me anytime of the day or night…I wanna be the one that I wish my kids and grandkids will meet when they are abroad“.
Am nächsten Tag, mein erster Arbeitstag, ich bin nervös, es ist warm, es regnet in strömen, ich weiß noch nicht, ob ich den Weg finden werde…will das Auto mit der Fernbedienung aufmachen…tösender Alarm! Es ist morgends um 7! Die ein oder andere Türe geht auf und es wird unfreundlich irgendwas Unverständliches gebrummelt. Ich kann die Alarmanlage des Autos nicht stoppen und das Auto nicht öffnen, weil die Batterie der Fernbedienung kaputt ist…ok…ich probier es: Ich rufe Jupiter Jim an…!
Total verschlafen nimmt er das Telefon ab und ich erkläre in unsicherem Englisch meine Lage. 5 Minuten später fährt er in Hausschuhen und Schlafanzug (bei immer noch strömenden Regen) vor. Er nimmt mich in den Arm, sagt „HEY…I will manage that!“
Wir fahren 3 Supermärkte ab und finden die passenden Batterien nicht. Jupiter Jim sagt wir checken noch eins, seine Türsprechanlage zu Hause könnte die gleichen Batterien haben…wenn nicht fährt er mich zur Arbeit und holt mich später wieder…am ersten Tag sollte ich nicht klatschnass zu spät kommen.
Ich weiß nicht warum, aber ich vertraue ihm und hätte ihm meinen Schlüssel überlassen. Doch die Batterien seiner Hausanlage passen! Er fährt vor mir her (immer noch im Schlafanzug) und geleitet mich zur Arbeit…
Ab da wusste ich…trotz allem „pass auf“, „trau niemandem“, „die Amis sind oberflächlich“….ich kann meinem Bauchgefühl vertrauen. Jupiter Jim hat mich während meines Aufenthaltes noch aus einigen Situationen raus geholt und kam immer wieder, wie aus dem Nichts um die Ecke, wenn es nötig war.
Und ab da…habe ich immer wieder im Leben meinen „Jupiter Jim“ getroffen…meinem Bauchgefühl getraut…Muster durchbrochen, Menschen vertraut, obwohl es bei zu viel Nachdenken rückblickend hätte gefährlich sein können. Mal hat der Bauch auch nein gesagt…und das Gefühl war immer richtig…ich kann es schaffen, es gibt einen Weg für mich, ich darf einen Mut-Anfall haben, darf mir und anderen Menschen vertrauen, wenn meine innere Stimme „JA“ sagt! Und sie sagt JA! Ja zum Leben und zu mir!
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